Automatisierung für die Kunststoffindustrie: Effizienz trifft Präzision

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Kunststoffverarbeitende Unternehmen stehen unter ständigem Effizienzdruck – insbesondere im Bereich des Spritzgusses. Fixe Taktzeiten, hohe Qualitätsanforderungen und ein wachsender Bedarf an Flexibilität machen Automatisierungslösungen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. In diesem Artikel beleuchten wir die Herausforderungen der Branche und zeigen, wie moderne Technologien zur Automatisierung in der Kunststoffindustrie Produktionsprozesse revolutionieren können.

Key Takeaways

  • Fixe Taktzeiten, hohe Qualitäts- und Sauberkeitsanforderungen und wechselnde Produktvarianten prägen die Kunststoffbranche.
  • Manuelle Prozesse stoßen schnell an ihre Grenzen. Automatisierung steigert Effizienz, reduziert Fehler und sichert die Wettbewerbsfähigkeit.
  • Automatisierungslösungen müssen dabei zuverlässig, skalierbar, platzsparend und wirtschaftlich sein.
  • Fahrerlose Transportsysteme (FTS), automatische Lagersysteme und Robotik ermöglichen einen nahtlosen Materialfluss und maximale Raumnutzung.
  • Ein Praxisbeispiel eines Spritzgussproduzenten zeigt, wie die Lösungen von KNAPP vom Wareneingang bis zum -ausgang vollautomatisch und effizient ineinandergreifen.

Herausforderungen der Kunststoffindustrie

Von der Medizintechnik über Elektronikkomponenten bis hin zu Verpackungsmaterial – die Kunststoffindustrie ist geprägt von hochpräzisen Fertigungsprozessen und ständig steigenden Qualitätsansprüchen. Besonders im Bereich des Spritzgusses werden Bauteile mit engen Toleranzen und komplexen Geometrien hergestellt – oft in hohen Stückzahlen und unter hohem Zeitdruck. Schauen wir uns die Herausforderungen genauer an:

Präzision, Qualität & Rückverfolgbarkeit
Enge Toleranzen und gleichbleibende Qualität sind Pflicht. Jede Abweichung kann Ausschuss bedeuten, daher sind eine lückenlose Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit unerlässlich.
Fixe Taktzeiten und Prozesssicherheit
Die Produktion ist an fixe Taktzeiten gebunden, deshalb muss die Versorgung und Entsorgung der Produktionsmaschinen just-in-time erfolgen. Jeder Stillstand verursacht Kosten und gefährdet die Lieferfähigkeit.
Produktvielfalt und komplexe Materialflüsse
Viele Hersteller produzieren nicht nur ein Produkt, sondern wechseln regelmäßig zwischen verschiedenen Artikeln. Unterschiedliche Taktzeiten bei mehreren Maschinen erfordert flexible Prozesse und anpassungsfähige Technologien.
Strenge Sauberkeitsanforderungen
In sensiblen Bereichen wie der Medizintechnik gelten hohe Hygienestandards. Hier sind Transporte mit abgedeckten Ladungsträgern und unter kontrollierten Bedingungen Pflicht.
Personalmangel
Da die Produktion häufig im Mehrschichtbetrieb läuft erfordert sie eine hohe Anzahl an qualifizierten Mitarbeitenden. Der zunehmende Fachkräftemangel erschwert die Besetzung der Stellen.
Platzmangel in der Produktion
Spritzgussmaschinen stehen sehr nahe aneinander, da jede Maschine wirtschaftlich genutzt wird. Der Platz rund um die Maschinen und auf den Transportwegen ist knapp und muss möglichst effizient genutzt werden.
Kostendruck und Preissensitivität
Die Branche ist stark zahlengetrieben. Investitionen müssen sich schnell amortisieren, ebenso wirkt sich jede Unterbrechung im Produktionsfluss unmittelbar auf die Wirtschaftlichkeit aus.

Anforderungen an Automatisierungslösungen

Die Herausforderungen in der Kunststoffindustrie zeigen deutlich: Manuelle Prozesse stoßen sowohl in Bezug auf Effizienz als auch auf Fehleranfälligkeit schnell an ihre Grenzen. Eine konsequente Automatisierung der Intralogistik ist daher ein entscheidender Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu steigern. Dabei müssen die eingesetzten Technologien zahlreiche Anforderungen erfüllen:

  • Zuverlässigkeit: Höchste Versorgungssicherheit ist essenziell, um einen Ausfall der Materialversorgung und den damit verbundenen Produktionsstillstand zu vermeiden.
  • Flexibilität: Systeme müssen sich dynamisch an wechselnde Produkte und Prozesse anpassen lassen.
  • Skalierbarkeit: Lösungen sollen mit dem Unternehmen wachsen und sich problemlos erweitern lassen.
  • Platzoptimierung: Kompakte, raumsparende Designs ermöglichen eine maximale Nutzung vorhandener Transport- und Lagerflächen.
  • Wirtschaftlichkeit: In einer stark preissensitiven Branche muss jede Investition messbaren Mehrwert bringen und sich schnell amortisieren.

Automatisierung für die Kunststoffindustrie: Technologische Lösungen

Um den genannten Herausforderungen und Anforderungen in der Kunststoffindustrie gerecht zu werden, kommen verschiedene technologische Lösungen zum Einsatz. Diese lassen sich je nach Unternehmensgröße, Produktionsvolumen und räumlichen Gegebenheiten flexibel kombinieren.

Fahrerlose Transportsysteme (FTS) bzw. autonome mobile Roboter (AMR)

Fahrerlose Transportsysteme übernehmen den automatisierten Transport von Leerbehältern, Rohmaterialien, Halbfertig- und -fertigprodukten zwischen Lager, Produktion und Versand. Moderne FTS sind dabei mit Sensorik, Navigationstechnologien und Sicherheitsfunktionen ausgestattet, die einen absolut zuverlässigen und sicheren Einsatz in Lager und Produktion garantieren. Ein besonders flexibler Ansatz sind autonome mobile Roboter wie die Open Shuttles. Sie eignen sich ideal für den Transport von Behältern, Kartons, Trays und Paletten.

Mehr zu den Vorteilen von autonomen mobilen Robotern erfahren Sie in unserem Blog Autonome mobile Roboter (AMR): Definition, Einsatz, Vorteile >

Ein autonomer mobiler Roboter von KNAPP fährt in einer Lagerhalle einen Gang entlang.
Die Open Shuttles von KNAPP sind perfekt für den Einsatz in der Kunststoffindustrie geeignet. Sie bieten maximale Effizienz und Skalierbarkeit auch bei sich ändernden Prozessen.

Automatische Lagersysteme

Hochdynamische Lagerlösungen wie automatische Kleinteilelager (AKL), Shuttle-Systeme oder Lagerrobotik-Systeme ermöglichen eine platzsparende und schnelle Ein- und Auslagerung von Behältern und Komponenten. Sie sorgen für eine hohe Verfügbarkeit von Materialien und unterstützen Just-in-Time-Produktionsprozesse. Das Evo Shuttle als auch das Lagerrobotik-System AeroBot bietet für die Kunststoffindustrie hervorragende Möglichkeiten zur effizienten Lagerung von Materialien und Leerbehältern. Eine optimale Ergänzung bieten Paletten-Regalbediengeräte für das automatisierte und effiziente Ein- und Auslagern von Paletten.

Erfahren Sie mehr über automatische Lagersysteme >

Drei Shuttles mit dem KNAPP Logo stehen in einem Lagersystem und leuchten blau.
Das automatische Kleinteilelager Evo Shuttle bietet in der Kunststoffindustrie höchste Lagerdichte, einen schnellen Zugriff auf Materialien und sorgt für maximale Effizienz in der Produktionsversorgung.

Robotik und Greifersysteme

Industrieroboter übernehmen das Palettieren, Sortieren und Verpacken direkt an der Maschine oder im Warenausgang. In Kombination mit Bildverarbeitungssystemen mit KI und automatisierten Warentransporte mit AMR können Qualitätskontrollen einfach automatisiert werden. Dadurch werden Mitarbeitende entlastet und die Fehleranfälligkeit reduziert. Zur automatischen Palettierung und Depalettierung sowie auch zur Stapelung und Entstapelung von Kartons und Standardgebinden bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Vollautomatisierung an.

Erfahren Sie mehr über effizientes Paletten-Handling und Qualitätssicherung durch die Vision-Technologie >

Ein Industrieroboter greift einen Karton und stapelt diesen auf einer Palette.
Vom Regalbediengerät über Fördertechnik und dem automatisierten Zusammenstellen von Paletten für die Filialbelieferung - KNAPP bietet zahlreiche Möglichkeiten für das Palettenhandling.

Fördertechnik

Förderbänder und Rollenbahnen verbinden verschiedene Produktionsbereiche miteinander. Sie lassen sich individuell anpassen und sind besonders dort sinnvoll, wo ein kontinuierlicher Materialfluss gegeben ist. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Fördertechnik nicht den Zugang zu den Produktionsmaschinen versperrt. Die Fördertechnik Streamline lässt sich als Brückenkonstruktion oder Deckenfördertechnik zur maximalen Raumnutzung umsetzen.

Vor Spritzgussmaschinen befindet sich Fördertechnik mit blauen Digmesa Behältern. Ein AMR gibt einen Behälter ab.
Bei Digmesa dient die Fördertechnik als Abgabestelle für Leerbehälter zur Versorgung der Produktionsmaschine.

Digitale Integration: der Schlüssel zum Erfolg

Die Automatisierung physischer Abläufe entfaltet ihr volles Potenzial erst durch die digitale Integration. Die intelligente Vernetzung von Maschinen, Logistiksystemen und Software schafft ein durchgängig effizientes Gesamtsystem.  Die vollständige Integration in bestehende IT-Systeme wie ein Warehouse Management System (WMS) oder SAP® EWM sorgt für reibungslose Abläufe zwischen Produktion und Logistik. Ergänzt wird dies durch IoT-Sensorik und digitale Zwillinge, die eine vorausschauende Wartung sowie optimierte Routenplanung unterstützen. Durch transparente Datenflüsse in Echtzeit werden fundierte Entscheidungen und kontinuierliche Prozessverbesserungen in der Lager- und Produktionslogistik ermöglicht.

Lesen Sie auch mehr in unserem Blogartikel „Digitaler Zwilling in der Logistik“.

Beispiel: Optimale Automatisierungslösung für einen Produzenten von Spritzgussteilen

Wie eine durchdachte Automatisierungslösung in der Praxis aussieht, zeigt dieses Beispiel eines Spritzgussproduzenten im Medizinbereich.

Die Lösung auf einen Blick

Branche:
Kunststoffindustrie
Unternehmen:
Hersteller von Spritzgussteilen
Lagersystem:
Silo-Palettenhochregallager mit Regalbediengerät im Wareneingang
Automatisches Kleinteilelager Evo Shuttle als Pufferlager für Spritzgussteile und Leerbehälter
Fahrerlose Transportsysteme:
Open Shuttle Fork im Wareneingang und -ausgang und in der Produktion
Open Shuttle für den Behältertransport in der Produktionsversorgung
Robotik:
Palettierroboter zur automatisierten Doppelung der Paletten im Warenausgang
Software:
KiSoft One mit Webservice-Schnittstelle zum HOST-System des Kunden
KiSoft FCS zur Auftragsgenerierung für die Open Shuttle Flotte

Zentrale Automatisierungsprozesse

1) Wareneingang
Das Rohmaterial und Verbrauchsware wird im Wareneingang über eine Palettenfördertechnik und ein Regalbediengerät in ein Silo-Palettenhochregallager eingelagert. Dieses Lager dient der Bevorratung von Granulat für die Spritzgussmaschinen. Bei Produktionsbedarf wird das auf Paletten gelagerte Rohmaterial ausgelagert und erneut der Palettenfördertechnik übergeben. An einer definierten Übergabestelle übernehmen autonome mobile Roboter (AMR), die Open Shuttle Fork, das Material und transportieren es automatisiert zu einem vorgesehenen Umschlagplatz für Paletten.
2) Umschlagplatz zwischen Lager und Produktion
Der Umschlagplatz trennt den Lagerbereich von der Produktion, die strengen Sauberkeits- und Sicherheitsanforderungen unterliegt. Am Umschlagplatz werden die Paletten vereinzelt. Eine zweite Flotte an Open Shuttle Fork, die ausschließlich im Produktionsbereich fährt, übernimmt die Paletten und bringt das Rohmaterial und Verbrauchsmaterialen zu den Anlagen. Für maximale Effizienz werden Leerpaletten auf dem Rückweg wieder mitgenommen.
3) Automatische Lagerung in der Produktion
Das automatische Kleinteilelager Evo Shuttle dient als Puffer für Leerbehälter und Spritzgussteile. Über eine Fördertechnik werden die Behälter aus- und eingelagert, wobei diese für optimalen Schmutz- und Staubschutz bei Einlagerung gedeckelt und bei Auslagerung entdeckelt werden. Vor der Einlagerung durchlaufen die Leerbehälter einen automatisierten Reinigungsprozess: Sie werden vollautomatisch statisch entladen, sodass keine Kunststoffteile an den Innenwänden haften bleiben. Anschließend werden die Behälter automatisch gekippt, um alle Teile vollständig zu entfernen. Die angeschlossene Fördertechnik befindet sich auf einer Brückenkonstruktion, um den darunter befindlichen Platz für Transporte zu nutzen. Ebenso ist die Fördertechnik für maximalen Staubschutz komplett überdacht.
4) Just-in-time Produktionsversorgung
Die Open Shuttles übernehmen folgende automatisierte Transporte zwischen Produktion, Evo Shuttle und Umschlagplatz:
  • Versorgung der Spritzgussmaschinen mit leeren Behältern aus dem Evo Shuttle
  • Rücktransport von mit Spritzgussteilen gefüllten Behältern zur Einlagerung ins Evo Shuttle
  • Transport der Spritzgussteile zur Montage und Mitnahme der Leerbehälter zur Einlagerung in das Evo Shuttle
  • Transport der palettierten Fertigteile zum Umschlagplatz und Übergabe auf Fördertechnik zur Verpackung
Sowohl die Open Shuttles für den Behältertransport als auch die Open Shuttle Fork für den Palettentransport fahren auf gemeinsamen Fahrwegen, um die Raumnutzung zu optimieren. Eine integrierte Überdachung bei den Open Shuttles schützt offene Behälter während des Transports und gewährleistet die Einhaltung der Sauberkeitsanforderungen.
5) Qualitätskontrolle
Im Rahmen der Qualitätskontrolle wird ein Qualitätsschuss (ein Spritzgussteil) zur Überprüfung der einzelnen Kavitäten (Hohlraum in Spritzgussformen) automatisiert durch das Open Shuttle zur Qualitätskontrolle gebracht. Die zugehörige Charge bleibt bis zur Freigabe gesperrt im System eingelagert. Eine klare Trennung der Chargen stellt sicher, dass keine Vermischung erfolgt.
6) Warenausgang
Nachdem das Open Shuttle Fork die Fertigteile zum Umschlagplatz gebracht hat, wird die Palette vollautomatisch verpackt und etikettiert. Die im Lagerbereich fahrende Open Shuttle Fork-Flotte bringt die Paletten wieder retour ins Palettenhochregallager zur Zwischenlagerung. Eine Maschine zur automatischen Doppelung von Paletten sorgt für maximale Platznutzung im LKW.

Automatisierung der Intralogistik: Vorteile für die Kunststoffindustrie

  • Kontinuierlicher Materialfluss ohne manuelle Eingriffe
  • Hohe Systemverfügbarkeit - auch im Drei-Schicht-Betrieb
  • Just-in-time-Versorgung der Spritzgussmaschinen
  • Maximale Raumnutzung durch gemeinsame Fahrwege für AMR, Fördertechnik auf Brückenkonstruktion, kompakte Bauweise des Evo Shuttles
  • Hohe Lagerdichte und schneller Zugriff auf Spritzgussteile und Leerbehälter
  • Sicherstellung der Sauberkeit in sensiblen Produktionsbereichen
  • Flexibilität und Skalierbarkeit bei Prozess- oder Produktänderungen
  • Transparente Bestandsführung durch Systemintegration
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